Der Kraftprotz
Wenn unsere Hunde erst einmal erwachsen sind,
können wir mit einer Sorte im Training meist nur mehr wenig erarbeiten: mit den
Kraftprotzen. Sie haben gelernt, alles mit Körperkraft zu erreichen und gehen
dann meist ziemlich gelassen, ja ignorant ihrer Wege, weil sie ohnedies wissen,
dass sie uns kräftemäßig überlegen sind. Ich habe derzeit mehrere dieser Sorte
im Training.
Meist ist es dann viel zu spät, den Hund an der
Leine ausbilden zu wollen, denn der Besagte kümmert sich nicht einmal
ansatzweise um das, was da hinter ihm am Ende der Leine vor sich geht. Oft
werden genau diese Hunde auch noch am Brustgeschirr geführt, damit das Ziehen
gleich noch mehr Spaß macht und der Mensch gleich noch weniger Handhabe
hat.
Darum predige ich immer wieder, früh Welpen- und
Junghundekurse zu absolvieren und keine langen Pausen im Training entstehen zu
lassen, denn hat der "Kraftlackl" einmal begriffen, dass er an der
Leine der Stärkere ist, ist durch zartes, dosiertes Leinentraining nichts mehr
auszurichten. Dann muss man sich allerlei Halsungen überlegen, weil das
klassische Lederhalsband für eine Einwirkung vielfach zu sanft ist. Soweit
sollte es erst gar nicht kommen.
Dann müssen wir also an den Start zurück: Wie
bekomme ich meinen Hund leinenführig? Wir erinnern uns: Motivation für den Hund
kann durch Futter, Spielzeug und soziale Zuwendung erfolgen. Was aber, wenn der
Hund ein schlechter Fresser ist, ihn Spielzeug überhaupt nicht interessiert und
er eine Streicheleinheit zwar hinnimmt, aber nicht darum buhlt? Dann steht man
als Trainer da und soll wieder einmal zaubern 😊 Meist ist es aber so,
dass der Hund – wenn er erst einmal den Trainingsplatz und die vielen Eindrücke
kennengelernt hat – doch für Zuwendung ganz brav mitarbeitet, weil er merkt,
dass wir uns über sein positives Verhalten von Herzen freuen.
Ich gehe dann wirklich zu Phase eins zurück und
übe mit den Hundehaltern und ihren Hunden das "Schau"-Kommando. Wenn
mich nämlich mein Hund anschaut, kann ich in der Aufmerksamkeitsphase
wenigstens Kleinigkeiten erarbeiten. Ohne diesen Blickkontakt funktioniert
leider gar nichts. Dann muss sich der Hundehalter konkret fragen, was er denn
in Zukunft noch von seinem Hund möchte, denn meist sind diese Paarungen solche,
in denen der Hund ein genüssliches Leben haben wird, der Halter aber ziemlich
abgemeldet ist.
Lasst es nicht soweit kommen. Lasst euch
regelmäßig beim Training sehen und achtet darauf, dass ein Hund, der groß und
schwer wird, so früh wie möglich lernt, mitzuarbeiten, denn ist er erst einmal
ausgewachsen und sich seiner Stärke bewusst, geht es meistens nur noch in den
oft genannten "Babyschritten" in der Ausbildung weiter.
Limitiert die Futterration und bindet den Hund
intensiv an euch. Versucht, ein Spielzeug zu finden, dass der Hund gerne mag
und steigert das in seinem Wert, sodass ihr wenigstens darüber Einfluss nehmen
könnt. Andernfalls kann der Kraftprotz in ernsten Situationen kaum mehr
kontrolliert werden und wer will das schon?
Näheres zum Thema findet ihr auch in meinem Buch
"Die Welt mit seinen Augen sehen" (BoD), erhältlich bei Amazon,
Thalia etc., auch als e-book.
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