Was tun, wenn uns der Hund ignoriert?
Kein gutes Zeichen: Unser Hund klappt die Ohren zu, schaltet
auf Durchzug und macht sein Ding. Selbstständig. Souverän. Ohne Rücksicht auf
Verluste. Völlig desinteressiert am Halter. Immer wieder erzählen mir Besucher
in der Hundeschule, ihr Hund würde sie komplett zum Narren halten. Das kommt in
Kindertagen vor – nach dem Motto „Was soll ich tun, wenn mein Hund im Garten
nicht hört?“ – und hat es sich erst einmal verfestigt, weil es eine lohnende
Strategie ist und der Hund zu seinem gewünschten Ziel kommt, dann kommt es im
Erwachsenenalter leider ebenso vor. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um? Denn
eines muss klar sein: Im Zusammenleben mit einem Hund muss immer der Halter in
der führenden Rolle bleiben.
Eine Kursteilnehmerin des Welpenkurses berichtete jüngst
über ihr Hundekind, das aus dem Garten ins Haus hinein nicht mehr abrufbar sei.
Die Kleine säße im Grünen, ließe sich rufen und ignoriere das Ganze
geflissentlich. Nun - hier würde ich mit einem simplen Trick arbeiten – nämlich
mit der Schleppleine. Meist geht es nur darum, dem Welpen zu zeigen, dass
unsere vermeintlich kurzen Arme doch sehr weit reichen können – und nach dieser
Erfahrung stellt sich auch wieder Folgsamkeit ein.
Der Hund ist ja nicht dumm: Innerhalb weniger Tage
realisiert er, wie weit unser Handlungsfeld reicht und wie weit wir eingreifen
können. Entzieht sich den Hund nun diesem Handlungsbereich, kommt er zusätzlich
relativ schnell darauf, dass er auch schneller ist als wir. Und der
Teufelskreis ist perfekt. Greifen wir nicht ein und geben auf, dann hat der
Hund die Lernerfahrung gemacht, dass er uns wunderbar austricksen kann. Und so
weit darf es nicht kommen.
Also: Schleppleine an das Hundekind anhängen und es in den
Garten zum Spielen lassen. Meist sind Hundewelpen ohnedies sehr anhänglich und
wollen gar nicht lange alleine sein. Wenn dann gerufen wird, machen wir uns
klein, rascheln mit einem Leckerlibeutel, zeigen ein Spielzeug oder klatschen
lachend in die Hände und der Hundezwerg trabt an. Tut er es nicht, haben wir
zwei Möglichkeiten: Weggehen (dann folgt er uns meist) oder den Kleinen an der
Schleppleine behutsam einholen wie einen Fisch an der Angel. Wehrt er sich oder
macht er widerwillige Bocksprünge, waren wir mit der Schleppleine zu forsch.
Daher: Lieber draufsteigen und abwarten als gleich daran ziehen. Hier gilt der
gute, alte Merksatz: Druck erzeugt Gegendruck.
Ich erlebe das immer wieder,
wenn ich meinen Junghunden lerne, alleine in ihre Box zu gehen: Schiebt man den
Hund förmlich in die Box, wird er gegendrücken und sich wehren, nimmt man aber
den Druck völlig heraus und macht den Gang in die Hundebox mit einem
Kaustangerl schmackhaft, dann lernt der Hund, brav durch die geöffnete Türe zu
gehen und sich hinzulegen. Also: Nicht mit Druck arbeiten, sondern mit
Nachdruck!
Hat sich eigenständiges Verhalten freilich so manifestiert,
dass der erwachsene Hund einfach seiner Wege geht, ohne auf uns zu achten,
fehlt in erster Linie eines: Bindung. Zünglein an der Waage ist unsere Nähe:
Entfernen wir uns vom Hund mit solider, inniger Bindung, sollte fast alles (bis
auf Wild und alles andere, das man jagen kann, wie viele von uns aus leidvoller
Erfahrung wissen) weniger interessant sein als der Halter, der Hund kehrt um
und kommt zurück, denn er sucht ja schon aus genetischen Gründen immer den
Anschluss. Ist das nicht der Fall, müssen wir zurück an den Start wie bei
„Mensch ärgere Dich nicht!“
Jüngst zeigte mir eine zweijährige Labradorhündin
mit unklarer Vergangenheit aus dem Tierschutz, wie dieses Verhalten aussehen
kann: Die Bälle der Fußballer am nahe gelegenen Fußballplatz waren
interessanter als alles andere. Das Verhalten war nicht mehr kontrollierbar,
die abgeleinte Hündin raste am Zaun entlang, war nicht abrufbar und ließ sich
nicht einfangen. Es war wieder der Faktor „Jagen“, der das vermeintlich gute
Verhältnis zwischen Hund und Halter zum Kippen gebrachte hatte.
Wenn mir mein
Hund in einer solchen Situation Ungehorsam zeigt, muss ich aktiv werden: Der
Hund, schon an klassischem Halsband und Leine kaum kontrollierbar, könnte also
künftig an einer Retrieverleine lernen, dass man den Menschen nicht einfach so
hinter sich herziehen kann wie einen Luftballon. Der Mensch müsste überdies als
Sozialpartner attraktiver werden und könnte durch das Limitieren des Futters
aus der Schüssel den Hund für den Nahrungserwerb künftig arbeiten lassen. Und
wenn ich täglich mit der Futterration am Zaun arbeite – und
dem Hund dabei auch der Magen knurrt! Ach ja und erinnert mich, dass ich einen
Fußball fürs Training besorgen muss 😊
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