Mein Weg zum Hundesport aus "Die Welt mit seinen Augen sehen" (BoD), Info www.tina-wessig.at
Mein Weg zum Hundesport
war eher ein Zufall. Irgendwann besuchte ich das erste Mal eine Ortsgruppe in
meiner Nähe und war rasch begeistert von all den scheinbar manierlichen Hunden,
die auf Kommando beinahe tänzelnd ihre Übungen abspulten. Was so leicht aussah,
faszinierte mich und so schloss ich mich dem Verein an. Ich tauchte immer
tiefer ein in die Materie, lernte, hörte zu, passte auf, las nach. Irgendwann
später wollte ich selbst einmal da draußen stehen und den Menschen Wissen
vermitteln. Das ist heute der Fall und darüber bin ich glücklich, aber ich gebe
in aller Demut zu, dass das "Wissen" im Umgang mit Hunden ein schier
unendliches ist. Aber gerade das macht es so spannend, das Wesen Hund zu
verstehen.
Jeder Mensch, der einen
oder mehrere Hunde besitzt, kommt nämlich hie und da in Situationen, die
unangenehm sind. Aber im Vertrauen: Sie sind es meist auch für den Hund. Pöbeln
an der Leine, Trennungsangst, Kontrollverlust, Dominanzgehabe – all das sind
Rituale, die grundsätzlich jeder Hund "erlernen" kann, wenn es dazu
kommt, dass dieses Verhalten aus seiner Sicht immer wieder erfolgreich war. Aus
Hundesicht geht es in diesen Momenten um das Bewahren seiner Ressourcen, egal,
ob das der Mensch selbst ist, Futter, Plätze, die für ihn besondere Bedeutung
haben oder andere Dinge, die es zu verteidigen gilt. Hund tut das, was für ihn
naheliegend ist: Er sichert sich potenzielle Sexualpartner, vertreibt
Kontrahenten und setzt alles daran, seinen Rang zu halten, wenn nicht sogar zu
verbessern. Im Normalfall zeigen unsere Haushunde solches Verhalten kaum,
selten und schwach und reagiert man im entscheidenden Moment richtig, wird es
später nur mehr moderat auftreten.
Aber auch unter unseren
Haushunden sind solche, die mehr hinterfragen, mehr austesten, mehr einen
eigenen Weg verfolgen. So auch mein Airedale Terrierrüde: Ein Hund mit
hochdekorierten Eltern aus Showlinien (das sind jene Hunde, die in erster Linie
Schönheitskriterien entsprechen, im Gegensatz zu Arbeitslinien, diese Hunde
sind vor allem auf das Ausüben ihrer ursprünglichen Eigenschaften gezüchtet),
aber leider auch der größte Clown auf Gottes Erden! Für den Hundesport
jedenfalls völlig ungeeignet. Die Hardliner unter den Ausbildern werden zwar
darauf beharren, dass jeder Hund ein gewisses Maß an Leistung auf dem
Hundeplatz zeigen kann, aber ich finde, man muss auch wissen, wann etwas im
Leben wenig bis keinen Sinn hat. Dusty hinterfragte jedenfalls kontinuierlich
den Sinn dieser Gehorsamkeitsübungen, entschied für sich, dass all die
erwünschten Handlungsabläufe – Sitzenbleiben, Liegenbleiben, weggeschickt und
zurückgerufen werden – wenig sinnvoll waren. Und Dusty fand es immer wesentlich
spannender, Schmetterlinge oder Hummeln zu beobachten als minutenlang eisern an
ein und derselben Stelle zu verharren.
Das Hufgeklapper einer
vorbeifahrenden Kutsche war für ihn definitiv eine höhere Motivation als meine
Futterstückchen und für kein Leckerli der Welt wäre dieser Hund allzu lange bei
Fuß gegangen, wenn doch die Wiese so verführerisch duftete und es rundherum so
viel Wichtigeres zu entdecken gab. Kurzum, der kleine Airedale legte zum
Einstand zwar seine erste Prüfung mit 94 von 100 Punkten ab, doch schon kurz
darauf blamierte mich Dusty bis auf die Knochen bei unserer zweiten Prüfung: Er
trabte mitten unter der "Arbeit" zu den Büschen und ging markieren,
hopste über den Platz, als wären die lachenden Menschen am Zaun ein Katalysator
seiner Lustigkeit, setzte sich förmlich seine rote Clown-Nase auf und stelzte
o-beinig so witzig durch die Gegend, dass alle ihren Spaß hatten, wir aber
leider durchfielen. Mit Zwang geht bei diesem Hund rein gar nichts, und wenn es
doch so wäre, ist das nicht mein Weg, also werde ich es nie erfahren.
Da ich aber nun einmal
zum begeisterten Hundesportler wurde, baute ich mein altes Gewächshaus mit
einem vernünftigen Boden und Spiegeln an den Wänden zur Trainingshalle aus und
da trainiere ich bis heute. Da kann dieser Hund sogar apportieren, nicht
meisterlich zwar, aber die Übung schaut einigermaßen so aus, wie es die
Prüfungsordnung vorschreibt. Ok, manchmal startet er zu früh zum Bringholz,
verliert es mitunter am Rückweg, sammelt es schlampig wieder ein, dann hängt es
ihm seitlich aus dem Maul heraus – ein Anblick für Götter! Manchmal verliert er
es auch erst beim "Einparken" in die Grundstellung und ist überhaupt
ein bisschen fahrig beim Ausführen dieser Übung, aber ich liebe diesen Hund
ohne Ende, weil er - wenn er mittut - mit Feuereifer dabei ist. Meist dauert
dieser Zustand aber nicht lange an ...
Meine Irish
Terrier-Hündin Scully hingegen war das "Sandwich-Kind" zwischen
Nandor und Dusty: Scully war immerhin schon drei Jahre alt, als ich begann, mit
Dusty am Hundeplatz zu trainieren und eigentlich plagte mich immer schlechtes
Gewissen, dass die Kleine daheimbleiben musste. Nach einigen Monaten entschied
ich mich also, Scully die gleiche Ausbildung angedeihen zu lassen, hechtete mit
hochrotem Kopf aus einem Kurs, versorgte den einen Hund, holte den anderen und
schloss mich einer zweiten Truppe an. Nach jeweils dreißig Minuten ein Wechsel
und wieder einer.
Das würde ich heute
nicht mehr machen, weil kein Mensch bei einem solchen Stresspegel ruhig und
klar in Kommandos und Körpersprache sein kann, aber das wusste ich damals noch
nicht. Also absolvierte auch Scully ihre Kurse in der Unterordnung, lernte
Fußgehen mit Blickkontakt, Sitzen, Liegen und alles, was sonst noch so zu den
Basics gehört. Und tatsächlich bestand die kleine, fuchsrote Hündin dieselbe
Prüfung am selben Tag, die Dusty kurz zuvor vergeigt hatte. Eine Ausbildnerin
sagte damals zu mir, ich würde mit der Hündin ganz anders arbeiten, wäre lustig
und unbekümmert, wohingegen ich mit Dusty erfolgreich sein wollte. Und genau
dieser Druck schien den Unterschied zu machen ....
Auszug aus dem Buch
"Die Welt mit seinen Augen sehen", erschienen bei BoD, erhältlich im
Buchhandel. Demnächst auch als e-book. Info unter www.tina-wessig.at
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