Von Privilegien und Hierarchien

Privilegien kann man erteilen und genauso wieder entziehen.
Jedes Mal, wenn ich am Eingang stehe und meine Kursteilnehmer in Empfang nehme, sehe ich sie: Die Welpen- und Junghundebesitzer, die stehen bleiben oder unsanft an der Leine rucken, damit sie die Türe vor ihrem Hund durchschreiten können. Damit wollen sie mir scheinbar zeigen, dass sie das Hunde-Einmaleins beherrschen und von Dominanz und Hierarchie schon gehört haben. Darf ich ehrlich sein? Ich kann das Gerede von Dominanz und Hierarchie nicht mehr hören! 

"Aber ich habe einen Alpha-Hund", kommt dann oft. Fakt ist, dass hochrangige Wissenschaftler den Mythos der 1970er Jahre vom "Alpha" in hündischen Strukturen längst widerlegt haben, und nicht einmal im vergleichsweise herangezogenen Wolfsrudel ist das Aggressionsverhalten, wenn es um privilegierte Plätze oder Futter geht, so hoch wie angenommen. Außerdem sind unsere Hunde keine Wölfe und haben längst erkannt, dass wir Menschen sind, mit denen sie sich nicht oder kaum um die Vormachtstellung rangeln.

Ich bin seit geraumer Zeit Trainer und Kursleiter und habe zahllose Kurse geführt, ich habe vier Hunde beiderlei Geschlechts zuhause und kann euch nur versichern, dass ich mein Leben mit den Tieren sehr gut ohne Dominanzgehabe führen kann. Und es kommt vor, dass meine Hunde vor mir durch die Türe gehen 😋 Wichtig ist nur eine faire, klare Führung. Beispiel Sofa - alle meine Hunde liegen am Sofa, aber ich kann bzw. könnte ihnen mit einem Fingerschnipsen und einem Wort ("Runter") das Privileg auch wieder entziehen. Nur, warum sollte ich das tun? Mich hat noch nie einer meiner Hunde angebrummt, wenn ich mich dazugesetzt habe, im Gegenteil, meist suchen sich zumindest zwei davon sehr schnell die besten Plätze in meinem Arm oder, wenn ich liege, in den Kniekehlen. So kuscheln wir und ich kann mir nicht erklären, warum ich den Hund vom Sofa runterschmeißen sollte. 

Meine Hunde - bis auf Airedale Dusty, dem das dann doch zu warm ist - liegen auch alle im Bett und da gibt es klar verteilte Liegeplätze. Warum sollte ich ihnen also dieses Privileg nehmen? Klar ist, dass es sich um ein Privileg handelt, das ich jederzeit wieder entziehen kann. Genauso finde ich es unnötig, einem fressenden Hund die Schüssel wegzunehmen. Was würdet ihr sagen, wenn euch im Restaurant der Kellner plötzlich den gut gefüllten Teller wegzieht? Ihr wäret auch nicht sonderlich erfreut. Wenn ich zum Napf gehe, dann um etwas nachzufüllen und noch nie hat mich einer meiner Hunde deswegen angeknurrt. Da geht es wahrscheinlich auch um die Körpersprache: Ich nähere mich nicht aufgeblasen, um etwas zu beweisen, ich nähere mich liebevoll. Ich kann zu jeder Zeit in jede Schüssel greifen und den Hunden ins Maul fassen, wenn sich etwa ein Stück Trockenfutter zwischen den Zähnen verkeilt hat. Aus keinem anderen Grund würde ich das tun, außer, um zu helfen. Genauso bei einem Stück Holz, das in den Zähnen steckt.

Meine Hunde kennen mich als souveränen, strikten, aber liebevollen Menschen (und nicht als Hunde-Ersatz) und wir haben die meisten Probleme gar nicht, die in der Hundeschule oft vorgetragen werden. Also bitte: Seid klar in Körpersprache, Führung und Kompetenz. Ein Hund will einen Menschen, dem er vertrauen kann und keinen, vor der er sich fürchten muss. 

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